Eindrücke aus Krakau – Dikh He Na Bister

Andor Barabás ist ein Minority Messenger. Im September und Oktober 2019 unterstützt er das Büro der JEV in Berlin als Praktikant. Zuvor war er als Minority Messenger im Juli 2019 in Krakau bei Dikh He Na Bister.

Andor kommt aus Rumänien, er gehört der ungarischen und der deutschen Minderheit an und studiert „Leadership and Communication in International Organizations“.

Er lernt gerne neues über zeitgenössische Geschichte, internationale Beziehungen, Diplomatie und Europäische Politik. Er besucht gerne Ice-Hockey Spiele und liest, außerdem engagiert er sich ehrenamtlich in Jugendorganisationen und verschiedenen Freiwilligen Projekten.

Dikh He Na Bister heißt „Schau hin, vergiss nicht“ und ist eine Initiative die an den Roma Genozid erinnert. Seit 2010 findet jährlich ein Jugend-Treffen in Krakau statt, das junge Menschen aus Europa zusammenbringt um über den Roma Genozid und das Leben der Roma Minderheit in Europa zu lernen. Mehr Informationen findet ihr hier: http://2august.eu

Was ist Dikh He Na Bister und wer ist dort?

Dikh He Na Bister ist eine Jugendveranstaltung, die jedes Jahr um den 2. August, den Europäischen Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma, in Krakau, Polen, stattfindet. Ungefähr 500 Roma und Nicht-Roma Jugendliche aus ganz Europa kommen für eine Woche zusammen, um über die vergangenen und gegenwärtigen Herausforderungen und Probleme von Sinti und Roma in der Welt zu lernen, sie zu verstehen und zu reflektieren.Die Aktivitäten in dieser Woche sind sehr lehrreich und emotional. Die Teilnehmenden erfahren mehr über die Geschichte und Kultur der Sinti und Roma und erwerben Kenntnisse über die Rolle der Jugend bei der Bewältigung von gegenwärtigen Herausforderungen wie Antiziganismus und anderer Formen des Rassismus in Europa. Aus emotionaler Sicht, erleben die Teilnehmenden ebenfalls viel, da sie die Möglichkeit haben Holocaust-Überlebende zu treffen, das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau zu besuchen und an der offiziellen Gedenkfeier am 2. August am Denkmal für die ermordeten Roma und Sinti in Birkenau teilzunehmen.

Was hat dich am meisten beeindruckt und was hast du mit nach Hause genommen? 

Das erste, was mich direkt nach meiner Ankunft auf der Veranstaltung überraschte, waren meine Vorurteile und die Stereotypen, die in meinem Kopf auftauchten. In Rumänien gibt es eine große Roma-Gemeinschaft und die Mehrheit der rumänischen Gesellschaft denkt schlecht über sie. Ich habe mich noch nie zuvor mit der Roma-Gemeinschaft befasst, daher war es für mich selbstverständlich nur diese negativen Aspekte zu sehen. Diese Denkweise änderte sich jedoch sehr schnell, als ich mit den Teilnehmenden ins Gespräch kam und mehr über ihre Gemeinschaften erfuhr. Ich freue mich sehr zu sagen, dass dieses Ereignis meine Denkweise geändert und mir dabei geholfen hat, zu erkennen, dass Sinti und Roma wie alle anderen Menschen sind und dass ich in meiner Gesellschaft und in meinem Land etwas tun muss, um diese Stereotypen zu überwinden.

Das zweite, was mich beeindruckte, war Gruppe aus Finnland. Die Teilnehmenden reisen normalerweise in nationalen Gruppen zu Dikh He Na Bister. Ich war aber nicht Teil einer nationalen Gruppe, weil ich als Minority Messenger von YEN teilgenommen habe. Dies bedeutet, dass sich Teilnehmende aus nationalen Gruppen oft schon gut kennen und meistens ihre Landessprache sprechen. Nach den täglichen Seminaren wollte ich meine Kenntnisse über die verschiedenen Roma-Gemeinschaften in Europa erweitern, also wandte ich mich an die finnische Gruppe, weil eine meiner Lieblingssportarten Eishockey ist und ich dachte, dies ist ein guter Weg ein Gespräch mit ihnen zu beginnen. Sie nahmen mich sofort in ihre Gruppe auf und erzählten mir über ihre Geschichte, Sprache und Kultur in Finnland. Selbst wenn sie finnisch miteinander sprachen, gab es immer jemanden der zu übersetzen versuchte. Einige von ihnen nannten mich nach ein paar Tagen „Antti“ (ein traditioneller finnischer Name) und das war wirklich beeindruckend und ich fühlte mich in ihrer Gruppe sehr willkommen. Ich bin wirklich dankbar, dass ich die Gelegenheit hatte, sie kennenzulernen und etwas über ihre Gemeinschaft und Traditionen zu lernen.

Gab es vielleicht ein bestimmtes Thema oder ein Gespräch, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Während der ganzen Woche wurden in den Seminargruppen viele interessante Themen besprochen, aber was mir wirklich in Erinnerung geblieben ist, sind die Geschichten der Holocaust-Überlebenden. Raymond Gureme, Krystyna Gil und Ivan Bilashchenko waren an einem Abend eingeladen, um ihre Überlebens- und Widerstandsgeschichten mit den Teilnehmenden zu teilen. Sie erzählten uns mit herzzerreißenden Details, wie sie ihre Familien und Freunde während des Holocaust verloren haben und wie sie flohen und sich versteckten, um selbst zu überleben. Diese Erfahrung hat mich geprägt und mir wurde klar, dass es für uns jungen Menschen wirklich wichtig ist, die Geschichten von Holocaust-Überlebenden zu kennen, damit wir alles in unserem Leben tun, um zu verhindern, dass so etwas wieder passiert. Es liegt in unserer Verantwortung und ist von großer Bedeutung ihre Geschichten weiterzuerzählen, um eine bessere Gegenwart und Zukunft für Minderheiten zu schaffen.

War es seltsam oder unangenehm, ein so persönliches Thema mit Teilnehmenden zu besprechen, die selbst Sinti und Roma sind, während du aus einer anderen Minderheit kommst?

Ich denke nicht, dass es komisch sein sollte solche Themen zu diskutieren. Ja, es ist ein bisschen unangenehm, aber ich denke, Minderheiten sollten zusammenarbeiten um sich gegenseitig bei der Erreichung verschiedener Ziele zu helfen. Viele ethnische und nationale Minderheiten in Europa sind Diskriminierung, Hassreden und Vorurteilen ausgesetzt, und es ist wichtig, dass diese Minderheiten zusammenarbeiten und gemeinsam für ihre Rechte kämpfen. Die Teilnehmenden von Dikh He Na Bister, egal ob Roma oder Nicht-Roma, Minderheit oder Mehrheit, sollten ihre Geschichten teilen und gemeinsam nach Lösungen für aktuelle Probleme, die die Roma-Gemeinschaft negativ beeinflussen, suchen. Jeder von uns kann im Kampf gegen Antiziganismus etwas bewirken.

Wie hast du es erlebt, mit einer Gruppe junger Menschen, die du vorher nicht kanntest, ein so emotionales Thema zu diskutieren?

Solche emotionalen Themen mit jungen Menschen zu erleben, die ich vor der Woche in Krakau nicht kannte, ist schon eine Herausforderung. Einerseits muss man manchmal sehr vorsichtig sein, was man sagt. Man könnte jemanden verletzen, obwohl man es nicht will, denn man kann nie wissen was die Teilnehmenden bisher erlebt haben. Andererseits gibt es dir die Möglichkeit, eine besondere Verbindung mit neuen Menschen, die mit dir auf einer Linie stehen, herzustellen. Emotionale Themen sind schwer zu bewältigen, aber letztendlich besuchen wir Veranstaltungen wie Dikh He Na Bister, weil wir auf diese Weise die volle Erfahrung erleben. Durch solche Erfahrungen vereint und bringt man junge Menschen aus der ganzen Welt zusammen.

Warum ist es deiner Meinung nach sinnvoll, dass junge Menschen aus der JEV an Dikh He Na Bister teilnehmen?

Aus meiner persönlichen Erfahrung bei Dikh He Na Bister kann ich sagen, dass dieses Ereignis mich sehr verändert hat. Von der Art wie ich denke, bis zur Art wie ich handle. Ich hätte nie gedacht, dass ein bestimmtes Ereignis einen solchen Einfluss auf mich haben kann. Das Treffen und Anhören verschiedener Geschichten von Holocaust-Überlebenden; der Besuch des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau; die Teilnahme an der offiziellen Gedenkfeier am 2. August an der Gedenkstätte für ermordete Roma und Sinti; und das Austauschen von Erfahrungen mit den Teilnehmenden- alles hatten einen irreversiblen Effekt. Jugendliche aus der JEV sollten sich unbedingt an Dikh He Na Bister beteiligen. Dies motiviert und befähigt sie, sich für Jugendarbeit zu engagieren, um damit Diskriminierung und Rassismus wirksam bekämpfen zu können.